SOLARARCHITEKTUR: BAUEN MIT DER SONNE
In der Antike war es mancherorts verbrieft: das Recht auf Sonne. Im griechischen Olynthus war es verboten, ein Gebäude durch ein anderes zu beschatten. Und ohne die Kraft der Sonne ist Solararchitektur schlicht nicht möglich.
Doch auch ohne solche idealen Voraussetzungen lässt sich viel erreichen. Das Ziel ist einfach genannt: Mit der gratis von außen zugeführten Sonnenenergie soll der Energiebedarf eines Gebäudes weitgehend gedeckt werden – ressourcen- und damit umweltschonend und gut für die Brieftasche.
Die wichtigsten Voraussetzungen sind:
- Ausrichtung des Gebäudes und v.a. der Wohnräume nach Süden
- kompakter Baukörper (geringe Hüllfläche)
- gute Wärmedämmung.
Was einfach klingt ist meist am schwersten zu erreichen. Solararchitektur verlangt nach einem gut durchdachten Grundkonzept und dem Einsatz geeigneter Techniken.
Die wichtigsten betreffen:
die Wärmedämmung: Soll mit relativ wenig Energie angenehme Raumwärme entstehen, gilt es, das Haus gut einzupacken, um die Wärmeverluste zu minimieren. Eine gute Wärmedämmung (z.B. eine 35 cm dicke Strohballendämmung) ist daher eine der Grundvoraussetzungen für ein Passiv- oder Niedrigenergiehaus.
die Fenster: Der Glashauseffekt muss nicht näher erläutert werden – Fenster zur Sonne sind die einfachste Art der Heizung. Allerdings garantiert nur eine Wärmeschutzverglasung eine positive Energiebilanz (sie sammeln mehr Energie als sie abgeben). Normales Fensterglas kühlt zu stark aus, Isolierglas hält wiederum viel von der Wärme von außen ab. Das Problem: die sommerliche Überhitzung verkehrt den Effekt ins unerwünschte Gegenteil – Verschattungsmaßnahmen sind erforderlich.
die Wärmespeicherung: Oberflächen, die als Wärmespeicher fungieren (schwere Materialien wie Lehm, Ton, Stein, Putze, Fliesen) und im direkten Einstrahlungsbereich liegen, verstärken den Zeitverschiebungseffekt (Phaseneffekt): Bei idealer Planung nehmen sie in der Zeit des Wärmeüberschusses Energie auf und geben sie zeitverzögert als Strahlungswärme wieder ab, wenn die Sonne nicht mehr scheint.
die Wintergärten: ein richtig gebauter Wintergarten ist ein Wärmepuffer (selbst wenn er nach Norden orientiert ist). Er heizt sich schnell auf und kann Wärme an angrenzende Räume abgeben. Ein Energiespareffekt – bis zu 15 % – tritt aber nur ein, wenn der Wintergarten nicht beheizt wird und Wohnbereich und Wintergarten thermisch getrennt sind (Speicherwand, s.o.). Offene Türen oder ein mit dem Wohnraum ständig verbundener Wintergarten führen zu einem erhöhten Energieverbrauch. Gegen eine sommerliche Überhitzung ist ebenfalls Vorsorge zu treffen (Querlüftung).
die Hauswand als Heizung: Die – sehr junge – Technik der transparenten Wärmedämmung (TWD) verwandelt Ihre sonnenbeschienene Hauswand in eine Heizung. Das Licht gelangt durch wabenartiges Dämmmaterial auf eine dunkle Oberfläche, verwandelt sich dort in Wärme und dringt langsam nach innen ein; der Rückweg ist durch den Isolierpolster aus Luft weitgehend versperrt. Die TWD funktioniert wie die Speicherwand (s.o.), ist aber um einiges effektiver.
die Wärmerückgewinnung: Lüften durch öffnen der Fenster sorgt zwar für ausreichend frische Luft, ist energietechnisch betrachtet in der Praxis aber ein Verlustgeschäft – außer bei optimalen Lüftungsgewohnheiten (max. 5 min Stoßlüften). Ein System, das die verbrauchte Luft abführt und frische in die Gebäude bringt, dabei jedoch die Abwärme zu nutzen versteht, lässt sich auch in bestehende Wohnanlagen einbauen – für neugebaute Passiv- und Niedrigenergiehäuser ist eine solche Wärmerückgewinnung Standard. Bis zu 50 % der in der Abluft enthaltenen Wärmeenergie können so wiederverwendet werden, um die frische Luft aufzuheizen.
Solararchitektur nutzt also die Sonneneinstrahlung auf möglichst optimale Weise durch Ausrichtung des Gebäudes – öffnen nach Süden, Glas und intelligente Beschattung. Eine Sonnenstandsmessung bringt die nötigen Daten. An den der Sonne abgewandten Seiten (Norden, Boden) und an der Dachhaut (Wärme steigt auf) schottet massive Dämmung ab; richtig platzierte Wärmespeicher im Einstrahlungsbereich (zeitverschoben abgegebene Strahlungswärme) verstärken den Wärmeeffekt. Dazu kommt das Vermeiden von Wärmebrücken durch adäquate Detailplanung und die optimale Dimensionierung und Steuerung der Haustechnik und des Heizsystems.
Bauökologie Der Begriff „Solararchitektur“ umfasst aber weit mehr als nur Energiefragen, wenn diese auch im Zentrum stehen. Bauökologisch und zukunftsfähig zu bauen bedeutet, in allen Aspekten (ganzheitlich) naturgemäß zu denken und zu handeln. Dies betrifft die Wahl der Materialien (Nachwachsende Rohstoffe) wie auch die individuelle Planung im Sinne der Bedürfnisse der Bewohner und die Ausführung (Details). Es bedeutet aber auch, den Menschen an erster Stelle zu berücksichtigen und nicht aus falsch verstandenem Öko-Fundamentalismus auf notwendige Kompromisse zu verzichten („form follows function“).
Als Beispiel der Holzständerbau: Ein natürliches Material, gerade in Ländern wie Österreich eine erste Wahl. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, dessen Verwendung als Baustoff auch dem Klimaschutz dient – sofern es aus nachhaltiger, möglichst einheimischer Forstwirtschaft stammt. Holz ist beliebig formbar, weist einen relativ guten Dämmwert auf, wirkt ausgleichend auf den Luftfeuchtegehalt und ist im Verhältnis zu seiner Tragfähigkeit ein leichter Werkstoff. Der beste Werkstoff nützt allerdings nichts, wenn er schlecht verarbeitet wird. Konstruktiver Holzschutz bei exaltierten Holzoberflächen (Balkone, Holzsichtfassade, …) kann chemischen Holzschutz ersparen. Der Baustoff Holz hält praktisch ewig, wenn er nach Regen oder Schnee wieder gut abtrocknen kann – entsprechende Planung vorausgesetzt. Schließlich stehen für Farben, Lasuren, Imprägnierungen und Verleimungen umweltfreundliche Alternativen zur Verfügung.
Eine Frage der qualitativ hochwertigen Ausführung ist auch die Winddichtigkeit der gesamten Konstruktion. Fehlt sie, sind Wärmeverluste, v.a. aber Bauschäden und Schimmelbildung durch Kondensation langfristig nicht zu vermeiden.
Bauökologie im modernen Sinn versucht also die Anforderungen von Mensch, Natur und Technik miteinander in Einklang zu bringen: menschliche Bedürfnisse, Wünsche und Träume, das Verlangen nach Wärme, Geborgenheit, Gesundheit und Spiritualität geben die Richtung vor; das Element Natur kommt durch die Baustoffauswahl (nachwachsende Rohstoffe) und die Berücksichtigung von Flächenversiegelung, Ortsbilderhaltung und gewachsenem Umfeld zu seinem Recht. Der Technik schließlich bedarf es in der Umsetzung – die optimale Nutzung der solaren Einstrahlung wird angestrebt, Planungsfaktoren wie Wärmedämmung und Wärmespeicher, Haustechnik, Heizsystem und Bauphysik sind mit einzubeziehen.